Der BMW 600 ist ein Raumwunder, außen klein, innen geräumig. Überflüssige Karosserieüberhänge gibt es nicht. Er bot sich 1957 als solide Alternative in der Kleinwagenklasse um 4.000 DM an, die damals bereits heiß umkämpft war. Denn hier suchten viele Menschen nach ihrem allerersten Auto, Ausdruck eines neu gewonnenen Wohlstands.

Platz war wichtig, denn die Familie wuchs. Überall wurde angepackt und aufgebaut, das „Wirtschaftswunder“ war weniger ein Wunder als vor allem harte Arbeit. Wer noch keine Familie hatte, der plante bereits eine. Denn Kinder gehörten einfach dazu. Konrad Adenauer regierte und aus seinem Mund stammt das Zitat: „Kinder kriegen sie immer.“ Pillen gab es zwar gegen alles Mögliche, aber eben noch nicht gegen Kinder. Die Babyboomer-Generation entstand und ihre Eltern wünschten sich einen passenden Untersatz zur Fahrt ins Wochenende und in den Urlaub.

Für jeden etwas – nur nicht in der Mitte.

BMW bot um 1957 eine Modellpalette, die eine weite Lücke in der Mitte ließ. Es gab Motorräder für jeden Geschmack, daneben die Isetta als pfiffiges Rollermobil und es gab große Limousinen mit Sechs- oder Achtzylindermotor. Als Sahnehäubchen obenauf gesellten sich dazu wunderschöne Sportwagen und Coupés für eine Welt des internationalen Luxus. Was es leider gar nicht gab, war etwas dazwischen, eine Mittelklasse.

Wachstumsschub.

Der BMW 600 sollte genau diese Lücke schließen helfen. Seine Fronttür erinnerte natürlich jeden sofort an die Isetta, auch trieb ihn wie diese ein abgewandelter Motorrad-Boxermotor mit Gebläsekühlung vorwärts. Doch sein Fahrwerk war neu, es hatte nichts Kleinwagenmäßiges an sich und bot Straßenlage und Komfort. Die äußerst platzsparende, gerade mal 2,90 Meter lange und dabei so geräumige Karosserie wies noch eine Besonderheit auf, die kein Vorbild hatte: Es gab lediglich eine Seitentür rechts. Der 600 war ein Zweitürer, an dem alles anders war als sonst.

Der Motor der BMW R 67 diente als technische Grundlage, leistete hier aber nur gedrosselte 19,5 PS. Die moderne Ganzstahlkarosse war bestens verarbeitet und wog nur 565 kg. Das machte den 600 immerhin 100 km/h schnell, genug um im Feld der „Großen“ nicht zum Hindernis zu werden.

Test bestanden.

Dr. Paul Simsa stellte den BMW 600 im „auto motor und sport“ Heft 19/1957 ausführlich vor. Er lobte die reichhaltige Ausstattung, den Fahrkomfort und die hervorragende Geräuschdämpfung im Inneren. Besonders das vollsynchronisierte Getriebe hatte es ihm angetan, es wird – anders als bei der Isetta – von einem normalen Ganghebel in der Wagenmitte aus bedient und lässt sich sehr leicht und präzise schalten.

Kurzes Vergnügen.

Der BMW 600 wurde etwas über zwei Jahre lang gebaut. Dann musste er schon wieder einem neuen Modell weichen, auf das so viele sehnsüchtig gewartet hatten, dem 700. Viel konservativer gezeichnet zwar, doch sportlich schick und unverkennbar im Stil des italienischen Stardesigners Giovanni Michelotti erschaffen. Auch noch etwas mehr in der Mitte einer Produktpalette, die vorher nur Extreme kannte. Doch 34.318 Stück vom BMW 600 wurden es dann doch, immerhin. Wer ihn nur richtig verstand, schloss ihn schnell ins Herz.

Land des Lächelns.

Heute taucht schon mal ein BMW 600 bei Treffen auf. Dann sieht man ihn allerdings kaum, denn immer ist er von lachenden Menschen umringt. Dabei lachen sie ihn nicht aus, der kleine Publikumsmagnet verzückt mit seiner Originalität, die ihn immer noch so einzigartig macht. Gerade Kinder lieben ihn. Beim Preis allerdings, der nach so vielen Jahren ja immer eine Wertschätzung unter Liebhabern ist, kann er mit den Größeren locker mithalten, er ist längst etwas Besonderes. Nur die Isetta, selige Schwester des BMW 600, erfreut sich noch größerer Hingabe. Bei ihr geht das Lächeln über das Gewohnte hinaus, sie ist Kult geworden.