Unterwegs mit einem BMW M coupé wird der Weg zum Ziel. Doch ist das Ziel der Concorso d’Eleganza in der Villa d’Este am Comer See, stimmt das nicht mehr ganz. Dann macht auch Ankommen und Aussteigen Spaß. Eine Reise auf historischer Route über den San-Bernardino-Pass mit einer Fahrmaschine der Extraklasse.

Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich parke auf dem höchsten Punkt der San-Bernardino-Passstraße, trotz bestem Wetter ist kaum etwas los, der Hauptverkehr rauscht unten durch den Tunnel. Schon 1818 war Baubeginn für diese Straße in ihrem jetzigen Verlauf. Postkutschen befuhren sie, schwere Transportgespanne kämpften sich hier hoch und auf der anderen Seite wieder hinunter, unzählige Reisende ohne Geld wanderten zu Fuß darüber. Und jetzt ich. Einfach so. Als ob es gar nichts wäre. Das M coupé verschiebt alle Maßstäbe noch einmal nach oben. Ein Alpenpass mit 2.066 Metern ist da wohl nicht hoch genug.

 

Sehnsuchtsort Italien

Wer in München startet und nach Italien möchte, wählt in aller Regel den Brenner, bewährte Südroute seit Menschengedenken. Doch wessen Ziel Lugano und dahinter der Comer See ist, startet lieber westlich zum Bodensee, das ist kürzer. Ich gleite an Lindau vorbei, dem bayerischen Außenposten am Bodensee, rolle durch den Pfändertunnel nach Österreich und von dort hinüber in die Schweiz, folge dem Rhein Richtung Süden, einem altbewährten Handels- und Reiseweg. Viel befahren, denn beliebt bis heute. Unzählige schwere LKW, Wohnmobile und Autos haben dasselbe Ziel wie ich. Den Süden.

Bei Thusis war vor gar nicht so langer Zeit alle Bequemlichkeit zu Ende, schroffe Felsen versperrten dem Reisenden den Weg. Hier begann die Viamala, die „schlechte Straße“, und noch immer beeindrucken die tiefen Felseinschnitte und spektakulären Ausblicke. Man spürt die ungeheure Herausforderung, die es einst war, hier weiterzukommen; und die Gefahr.

Von Viamala ist heute aber keine Rede mehr, kunstvolle Viadukte und Tunnel verlangen noch nicht einmal fahrerisches Talent, der meist auf hundert reglementierte Verkehr rollt einfach durch. Wer Lust hat, fährt bis Italien. Ich will es mir und dem M coupé aber nicht so leicht machen. Vor dem 6,6 Kilometer langen San-Bernardino-Tunnel nehme ich die Ausfahrt zur alten Passstraße. Sie steht nach wie vor offen, außer es schneit mal wieder zu heftig. Glück für mich, seit gestern ist der Pass wieder offen.

 

Das Alpenkatapult

Das M coupé wuchtet seinen Fahrer nach vorne mit einer Kompromisslosigkeit, die keine Widerrede kennt. Gerade ein Gebirgspass mit seinen unzähligen Kehren und Kurven gehört zu seiner Kernkompetenz. Es ist mit Sicherheit eine der vergnüglichsten Arten, die Alpen in Richtung Italien zu überqueren. Aber auch so verblüffend einfach, dass man in historischer Kulisse schon mal ein schlechtes Gewissen bekommen kann.

Wenigstens hält jetzt ein Motorradfahrer. Seine gelbe BMW R 1200 macht ihn hier oben auch nicht zum Helden, denn sie kann ebenfalls weitaus mehr, als hier verlangt wird. Wir grinsen uns an, er nickt, ruft „Schöner Wagen“. Das stimmt, die Kulisse mit den schneebedeckten Gipfeln schmückt das M coupé perfekt. Ich belohne mich mit einem Espresso im Hospiz, der kleine See nebenan ist noch komplett zugefroren.

 

Bella Italia!

Die Sprachgrenze verläuft genau hier, ab jetzt heißt es also Buongiorno. Bergab zählt allein die Bremse. Fuhrleute mühten sich lieber bergauf als bergab. Sie wussten: Wenn du nicht mehr bremsen kannst, bist du verloren. Dem M coupé ist es völlig egal, seine dicken Beine können Anker werfen, Pedaldruck genügt. Wieder keine Heldentat.

Es wird spürbar wärmer, je tiefer ich komme. Im Norden ziert sich der Sommer noch etwas, Lugano hat er längst erreicht. Ich aber will nach Como, mediterrane Perle am gleichnamigen See. Viele Roller umschwirren mich jetzt, italienische Lässigkeit überall. Alles fließt, das ist die Hauptsache. Das M coupé ist übersichtlich, und das liegt nicht nur an seiner knappen Größe von etwas über vier Metern. Vorne wölbt sich die Motorhaube, hinten bildet die Heckklappe einen wunderbar übersichtlichen Abschluss. Und damals, also 1998, waren Seitenfenster noch keine Schießscharten. Vorteil in Orten wie diesem.

 

Park and look!

Die Villa d’Este ist nicht weit von Como. An diesem Sonntag sind die Public Days, und jedermann ist herzlich eingeladen. Als neuer Gast muss man den Weg nicht kennen, es genügt, den anderen nachzufahren. Ganze Familien strömen begeistert zum ehemaligen Bischofssitz mit seiner außergewöhnlich schönen Lage am See. Der Concorso d’Eleganza Villa d’Este feiert das Automobil in seiner ganzen Geschichte, seit dem Jahr 2000 hat BMW die Schirmherrschaft.

Staunen ausdrücklich erlaubt. Vergangenheit und Zukunft in mediterraner Parklandschaft. Hier treffe ich das M coupé wieder. Nicht meins natürlich, das steht geschützt in der Tiefgarage. Ein anderes, feuerrot. Seltsames Gefühl, meinen vertraut gewordenen Autokumpel hier plötzlich als historisches Ausstellungsstück zu sehen.

 

Der Ernst des Lebens

Am nächsten Morgen gießt es wie aus Kübeln, Wind peitscht dicke Wasserfäden quer über die Straße. Eine massive Schlechtwetterfront lässt die ganze Welt in Gischt und Nebel versinken. Dazu ist es empfindlich kalt, oben auf dem San-Bernardino-Pass schneit es wieder. Ich nehme trotzdem nicht den Tunnel. Die Qualität eines Autos offenbart sich schließlich auch darin, wie geborgen man sich in ihm fühlen darf, wie beschützt, wenn es mal dicke kommt. Ich bin jetzt ganz allein, fahre hinauf, drüben hinunter. Es war wieder sehr einfach.

Reisen ist heute wohl keine Heldentat mehr, zumal in einem Wagen wie dem M coupé. Was bleibt, ist der Riesenspaß, den eine Fahrt über die Alpen machen kann. Sehr zum Nachmachen empfohlen.