Der Rolls-Royce Silver Cloud läutete ab 1955 eine neue Ära ein. Zum ersten Mal fertigte man bei Rolls-Royce einen kompletten Wagen, Fahrgestell und Karosse. Doch so schnell wollten sich die klassischen „Coachbuilders“ nicht abhängen lassen und schufen mit dem zweitürigen Drophead Coupé auf Basis des Silver Cloud ein äußerst edles Statement gegen alle Schnelllebigkeit. Keiner Mode folgend, sondern der Tradition verpflichtet, dem handwerklichen Einzelstück von höchster Qualität.

Mit dem Rools-Royce Silver Cloud begann das Werk im englischen Crewe zum ersten Mal in seiner Geschichte komplette Autos zu liefern und nicht nur Fahrgestelle, die der Kunde dann bei einem renommierten Karossier seiner Wahl nach Wunsch einkleiden lassen konnte. Noch immer bildete zwar ein sehr solides, aus rostfreiem Stahl gefertigtes Fahrgestell die tragende Basis. Doch das Werk bestimmte fortan selbst auch das äußere Design. Rolls-Royce betrat damit den Kreis der Serienhersteller, zumindest bei der Limousine.

Denn klassische „Coachbuilder“ wie H. J. Mulliner und James Young schufen in den 50ern eine zweitürige Cabrioversion, Drophead Coupé genannt, die eine ebenso gewaltige wie beeindruckende Erscheinung ist und ihre Passagiere ganz anders als in der Limousine sehr selbstbewusst ins Rampenlicht setzt. Wähnt man doch gemeinhin den Eigner eines Rolls-Royce eher versteckt hinter Vorhängen im Fond, dreht er hier selbst das Steuer mitten in Wind und Sonnenlicht.

Fahrleistung: Ausreichend.

Traditionell gibt es von Rolls-Royce auf die Frage nach der Motorleistung nur ein vornehmes „Ausreichend“ zur Antwort. Und das stimmt in jeder Weise. Der Reihensechszylinder ist auf Komfort und Langlebigkeit ausgelegt, ansonsten tritt er so gut wie nicht in Erscheinung. Er hält sich ähnlich einem guten Diener ganz im Hintergrund. Zusammen mit der geschmeidigen Hydramatic, einem Rolls-Royce Lizenzbau von GM, bietet er jenen unaufgeregten Komfort, der jeden Rolls-Royce auszeichnet. Die Höchstgeschwindigkeit von ca. 165 km/h ist im Hinblick auf die stattliche Front und das Gewicht von rund zwei Tonnen durchaus flott und hatte auf den Straßen der späten 50er-Jahre so gut wie keine Konkurrenz. Ein Bremskraftverstärker war selbstverständlich, eine Servolenkung gab es auf Wunsch. Die meisten Fahrer dürften sein Potenzial aber gar nicht ausgeschöpft haben, denn der schwebende Komfort eines Rolls-Royce ist unvergleichlich und entspannt auch den nervösesten Geschäftsmann im Handumdrehen. Zumal bietet ein offenes Cabrio noch andere beruhigende Reize, denkt man sich erst die passende Landschaft dazu.

Handmade by Craftsmen.

Holz und Leder dominieren den Innenraum, nichts anderes erwartet ein Kunde von einem Rolls-Royce. Die Verarbeitung ist sprichwörtlich und jeder, der heute vor einem Exemplar in dem von der Szene immer beliebteren „Originalzustand mit etwas Patina“ steht, kann die Qualität sehen, fühlen und sogar riechen, wenn der Vorbesitzer nicht gerade wie einst Churchill Zigarren liebte. Das alles hatte natürlich seinen Preis, aber ein Bonmot sagt, wer bei einem Rolls-Royce danach fragt, kann ihn sich eh nicht leisten. Interessant ist hier vielleicht die Ergänzung, dass das sehr erfolgreiche Flugmotorenwerk Rolls-Royce die Automobilherstellung damals eher als Ergänzung und Traditionspflege betrieb, ein wirklicher Gewinn niemals erzielt werden konnte. Bei den Karossiers allerdings sah man das natürlich anders, sie wirtschafteten durchaus erfolgreich. Wie viele Drophead Coupés aber auf Basis des Silver Cloud entstanden, lässt sich heute kaum mehr sagen, Quellen sprechen von 22 bei H. J. Mulliner und 3 bei James Young oder nennen gar nur „eine Handvoll“.

Zeitzeugen.

Ein zeitgenössischer Tester der Limousine zeigte sich in „auto motor und sport“ 1957 sehr beeindruckt. Gelobt wurden vor allem der überwältigende Komfort und die Mühelosigkeit des Fahrens. Prophetisch gar war der Satz: „Ganz bestimmt wird man sich in der heutigen Zeit ein Auto suchen müssen, das dem Rolls-Royce in der Lebensdauer gleichkommt.“

Ein Rolls-Royce Silver Cloud Drophead Coupé wurde niemals einfach verbraucht, manchmal natürlich verkauft, doch sehr oft an die nächste Generation weitergereicht. Er stand und steht wie kein anderer für Beständigkeit, Tradition und Stil. Er hat etwas von einem Landsitz an sich. Nur mit Rädern.