Der Spoiler eroberte in den Siebzigern die Karosserien aller Autos, egal ob klein oder groß. Er versprach mehr Fahrdynamik und niedrigeren Verbrauch. Viele aber liebten ihn vor allem wegen der Optik. Und die konnte oft nicht wild genug sein.

Waren wir tatsächlich mal so? Setzten uns mit Vergnügen in Autos, deren Karosserien für heutige Augen ziemlich „halbwüchsig“ anmuten. Mit wahrlich dick aufgetragenem Spoilerwerk, von dem wir felsenfest behaupteten, es wäre absolut notwendig, um überhaupt sicher fahren zu können. Eine Art Plastik-Stuckwerk, das wir tief in unserem Inneren schön fanden, sportlich und modern.

Ja, wir liebten genau das. Der Spoiler und all das andere bunte Zubehör jener Jahre war eben auch eine Absage an all die Spießigkeit des Chroms und den sinnfreien Zierleisten, an denen wir uns leidlich sattgesehen hatten.

Vom Rennsport auf die Straße.

Schon in den 1920er-Jahren machten sich visionäre Techniker Gedanken über den Luftwiderstand. Vom Flugzeugbau inspiriert, entstanden Stromlinienformen, die dem Wind möglichst wenig Widerstand entgegensetzen wollten. Für die aufsehenerregenden Hochgeschwindigkeitsrekorde baute man bereits Tragflächen an die Karosserien – der Spoiler, also ein aktiv den Luftstrom lenkendes Bauteil, war fast von Anfang an dabei.

Doch erst in den 50er-Jahren griff der Rennsport auf diese Erkenntnisse wieder verstärkt zurück. Der Privatfahrer schätzte da noch vor allem Chromglanz und Zierleisten, er wollte ein repräsentatives Auto, ein Statussymbol. Das änderte sich erst, als in den Sechzigern die Motorleistungen rapide anstiegen. Sportlimousinen wie der BMW 1800 TI und später die 2002 TI mischten die Tourenwagenszene auf und drangen in immer höhere Leistungsdimensionen vor. Mehr denn je kam es auf eine ausgefeilte Aerodynamik an.

Neue Spoiler braucht das Land.

Während der legendäre BMW 1800 TI noch im völlig serienmäßigen Karosseriekleid Pokale sammelte, tauchte am kleineren 2002 TI zum Ende der 60er-Jahre der Frontspoiler auf. Die Luft sollte möglichst nicht mehr unter ihm hindurch, sondern über ihn hinweg gelenkt werden. Tiefe Frontspoiler erzeugen nämlich ein höheres Gewicht auf der Vorderachse, das bedeutet mehr Grip und bessere Lenkeigenschaften.

Zum Heckspoiler war es da dann nicht mehr weit, denn diese „Bürzel“ schaffen eine verbesserte Luftströmungs-Abrisskante, die die Höchstgeschwindigkeit und den Druck auf die Hinterachse deutlich erhöhen kann. Dach- und Seitenspoiler ergänzen die Wirkung. Diese immer raffinierteren Anbauten machten aus gar nicht für den Rennsport gezeichneten Reisecoupés wie dem eleganten BMW CS der Baureihe E9 gut liegende Rennwagen und Seriensieger.

Im berühmten dreifarbigen Streifendesign feierten die Coupés Erkenntnisse des Windkanals, die nur ein Ziel hatten, nämlich die „Fuhre“ schneller zu machen. Fahrer wie „Strietzel“ Stuck ließen den bis zu 3,5 Liter großen und rund 400 PS starken Boliden in Bestzeit um den Ring fliegen, wobei Fliegen wörtlich zu nehmen war: An der Quiddelbacher Höhe hoben Rennwagen damals noch mit allen vier Rädern ab.

Schneller aussehen.

Spätestens da war der Spoiler salonfähig geworden, und es verlangten immer mehr Kunden die neue sportliche Optik mittels aufgesetzter Kunststoffverblendungen. Berühmt wurde der 2002 turbo, der seinen vorderen Spoiler sogar anstelle eines Stoßfängers trug. Über den schwarzen Heckspoiler hinten mag man heute geteilter Meinung sein, damals sah man darin nichts als Fortschritt. Dieser auffällige schwarze Heckspoiler, aus Sicherheitsgründen biegsam weich, avancierte schnell zum beliebten Zubehörteil, das sich mancher Fahrer auch schwächerer Modelle nachrüsten ließ. Und die „Windsplits“, jene schmale Kanten für die vorderen Kotflügel, gab es bald als Nachrüstteil für fast alle Autos, egal von welchem Hersteller.

Die 80er-Jahre professionalisierten den Zubehörmarkt, komplette Aerodynamik-Kits lösten den wilden Anbau durch enthusiastische Hobbybastler ab, die der TÜV sowieso mit sehr strengen Augen verfolgte. Solche Komplettsätze rahmten die Karosserie vollständig ein, vom Frontspoiler ging es über die Kotflügelverbreiterungen und Schwellerverblendungen nach hinten zum Heckspoiler, das alles wurde in Wagenfarbe oder kontrastierend lackiert und mit kleinen Blechschrauben an der Karosserie befestigt. Das sah sehr professionell aus, hatte aber oft zur Folge, dass der Rost darunter munter blühte, lange bevor der Fahrer es bemerkte.

 

Zu dieser Zeit trugen neu entwickelte Karosserien längst ihre Spoiler aus geübter Designerhand, denn dieser zeichnete sie praktischerweise bei der Gestaltung eines neuen Modells gleich mit. Der Spoiler wurde zum integralen Bestandteil der Karosserie und verlor seinen aufgesetzten und nachträglich angebracht wirkenden Charakter.

Survival of the Fittest.

Wilde Umbauten von damals sind zwar heute durchaus historisch korrekt, werden aber eher belächelt als bewundert. Die Oldtimerszene scheint sich noch nicht ganz einig darüber, wie sie mit all dem Plastik dieser Epoche umgehen soll. Dabei sind überlebende Zeugnisse rar, denn Bordsteinkanten und Parkrempler, Bodenschwellen und nicht zuletzt die erhebliche Versprödung von Kunststoffen machen es dieser Art Tuning schwer, dem Zahn der Zeit zu widerstehen.

Serienteile haben es hier eindeutig besser. So sind bei BMW Group Classic die Spoiler für den legendären 2002 turbo ebenso noch neu lieferbar wie für den 3er E30 oder das elegante 6er Coupé E24.

Freuen wir uns also, wenn es einer aus dieser wilden Ära geschafft hat, sich bis in die Gegenwart herüberzuretten.